Masterstudium
Teología Latinoamericana

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Martha Zechmeister

“Utopischer Horizont” des Masterstudiengangs “Teología Latinoamericana”


In ihrer geschichtlichen Stunde waren die Väter und Mütter der Theologie der Befreiung fähig, sich der Irruption der Armen in die Kirche und in die Theologie zu öffnen – und eine adäquate theologische Antwort aus der Tiefe des Evangeliums und des jesuanischen Erbes darauf zu finden. Sie haben diese Antwort mit ihrem kohärenten Lebenszeugnis bestätigt, vielfach bis zum Martyrium.

Wir verstehen uns wie „Zwerge auf den Schultern der Riesen“. Wie Johannes der Täufer, als Brücke zwischen der Vergangenheit einer großen „Geschichte der Befreiung“ und einer noch unbekannten Zukunft, die vielfach erschreckend auf uns zukommt. Unsere Generation des Übergangs trägt die Verantwortung das Erbe zugleich treu und kreativ an kommende Generationen weiterzugeben. Es ist nicht fruchtbar, das Übernommene museal zu konservieren und die Formulierungen auf mechanische oder „fundamentalistische“ Weise zu wiederholen. Was wir brauchen ist kreative Treue, ein leidenschaftliches Ringen, um eine neue Sprache, die heute für Menschen befreiende und erlösende Kraft hat.

Für den Masterstudiengang „Teología Latinoamericana“ ist es grundlegend, die „Quellen“ dieser Tradition (Medellín und die großen Texte der „Patriarchen“, besonders die Texte Ignacio Ellacurías) ausgiebig und mit wissenschaftlicher Gründlichkeit zu studieren. Auf bloß „museale“, historisierende Weise mit ihnen umzugehen, wäre jedoch der Verrat dieser Tradition selbst und der ihr eigenen Art Theologie zu treiben.

In Treue zur besonderen Hermeneutik der Befreiungstheologie ist der unumgängliche Ausgangspunt die gründliche und vorbehaltslose Analyse des gegenwärtigen geschichtlichen Augenblicks. Das erste, unmittelbar evidente Ergebnis dieser Analyse ist, dass die Armen weiter sterben. Dass die Welt fortfährt, ein Ort der Ungleichheit und der skandalösen und tödlichen Ungerechtigkeit zu sein. Deshalb hat die Entlarvung der unterdrückerischen Mechanismen und die Option für die Armen nichts von ihrer Dringlichkeit verloren und bleibt vorrangig. Das neoliberale, kapitalistische System hört nicht auf, den Tod und die Versklavung von tausenden Menschen zu verursachen. Die aggressive Okzidentalisierung der Welt, die sich mit dem Euphemismus „Globalisierung“ maskiert, führt zur kulturellen Entfremdung eines großen Teiles der Menschheit.

Vielleicht können die „Zwerge auf den Schultern“, die Enkel der Patriarchen der Theologie der Befreiung, in Bezug auf die Komplexität des Wurzelgeflechts der Mechanismen der Befreiung etwas weiter sehen, als es die „Riesen“ selbst konnten: zum Beispiel in Bezug auf die profunde Ambivalenz westlicher Mentalität und ihrer imperialistischen Dynamik. Die „anderen“ in der Verschiedenheit des Geschlechts, der Hautfarbe, ihrer Kultur und Religion, bedingungslos in ihrer Würde zu respektieren und auf jeden Gestus der Überheblichkeit zu verzichten, gehört zu den unverzichtbaren Forderungen, denen eine befreiende Theologie heute zu entsprechen hat.

Dies fordert die „De-okzidentalisierung“ der Theologie, es verlangt die spirituelle Weisheit der indigenen Traditionen ernst zu nehmen: ihre Kosmologie, ihre Betonung des Gleichgewichts und der wechselseitiger Beziehung ihre Demut, mit der sie den Menschen als Geschöpf unter anderen Geschöpfen anerkennen. Es gilt die Nähe indigener Kosmologie zum biblischen Weltbild und zum Selbstverständnis und zur Sprache Jesu zu entdecken. Mit theologischer Bescheidenheit gilt es von diesen Traditionen zu lernen, um eine Schöpfungstheologie zu entwickeln, die Heilung für die gegenwärtigen ökologischen Katastrophen anzubieten vermag. Die „Teología india“ ist nicht das, was wir den „autochthonen Völkern“ großmütig zugestehen, jedoch keinerlei Relevanz für uns selbst besitzt. Vielmehr gilt: Um das Evangelium aus der Geiselhaft einer rationalistischen und imperialistischen Tradition zu befreien, bedürfen wir der Fremdprophetie dieser „anderen“ Traditionen.

Ein weiteres dringendes Desideratum einer Befreiungstheologie des 21. Jahrhunderts ist die ernsthafte Anstrengung von den feministischen Traditionen, innerhalb und außerhalb von Kirche und Theologie, zu lernen. Die Theologie der Befreiung wurde weithin in männlicher Sprache und mit männlichen Konzepten entwickelt. Dies vermittelt selbstverständlich und unbewusst den Mythos von der Überlegenheit des Mannes über die Frau. In einer authentischen, befreienden Theologie bedarf es keiner „geschützten ökologischen Nischen“ für die Frauen, in denen sie sich ihren speziellen Themen widmen könnten – es bedarf vielmehr einer gemeinsamen Anstrengung von Männern und Frauen, die von wechselseitigem Respekt getragen ist. Unter vielen anderen Früchten, die dies hervorbringen wird, wird dies helfen den „theologischen Doketismus“ zu überwinden, es wird zur Inkarnation des Evangeliums im Bereich von Sexualität und menschlichem Körper, als fundamentaler menschlicher Wirklichkeit beitragen. Ohne die Integration dieser Dimension, ist es nicht möglich, menschliche Beziehungen zu humanisieren und es ist unmöglich, die Gewalt zu überwinden.

Eine weitere entscheidende Herausforderung für die Befreiungstheologie heute, ist die Beziehung zu den nichtchristlichen Religionen. Auf den ersten Blick ist dies für die Theologie im lateinamerikanischen Kontext nicht vordringlich. Die „anderen“ finden sich weit weg auf anderen Kontinenten. Doch die Beziehung zu anderen religiösen Traditionen fordert den fundamentalen Gestus des Theologietreibens neu zu bedenken. Echte Bekehrung ist gefordert, es ist notwendig, die Dynamik theologischen Denkens und theologischen Selbstbewusstseins tatsächlich umzukehren, sich vom Überheblichkeitswahn zu befreien und mit Demut von den fremden Traditionen und von ihrer Weise, vom Mysterium Gottes zu sprechen, zu lernen.

Dies bedeutet in Lateinamerika darüber hinaus, die Beziehung zu den nicht katholischen christlichen Kirchen und Glaubensgemeinschaften neu zu bedenken. Über die Ökumene mit den historischen Kirchen der Reformation hinaus, in einen respektvollen Dialog mit den evangelikalen und pentekostalen Kirchen einzutreten, ist eine der dringendsten und schwierigsten Aufgaben für die lateinamerikanische Kirche. Man kann nicht verleugnen, dass ein großer Teil der verarmten Mehrheit der Menschen von der pfingstlerischen Form des Christseins angezogen wird. Wir können die Augen nicht davor verschließen, dass diese Formen bisweilen infantilisieren und zu einem „Christentum light“ verführen – doch wir können auch nicht leugnen, dass der Geist Jesu Christi im Laufe der Geschichte der Kirche immer wieder von ihren „häretischen Rändern“ her in sie eingebrochen ist und Bewegung in erstarrte Fronten gebracht hat.

Schließlich ist die „digitale Welt“ und die neuen Mentalitäten, die sie hervorbringt, eine unausweichliche Herausforderung einer Theologie ganzheitlicher Befreiung. Auch die traditionellen Massenkommunikationsmittel verändern das Bewusstsein der Menschen auf aggressive Weise. Sie eröffnen vielfältige Möglichkeiten, mit ihrer Macht politisch zu manipulieren und alle Bereiche menschlichen Lebens zu trivialisieren, bringen sie jedoch auch schwerwiegenden Gefahren mit sich.

Mit dem Siegeszug des Internets hat diese gefährliche Ambivalenz einen qualitativen Sprung nach vorne gemacht. Wenn wir die Auseinandersetzung mit der „digitale Welt“ verweigern, werden wir den Kontakt zu der Realität, in der sich heute ein beträchtlicher Teil des menschlichen Lebens abspielt - – sicherlich des Lebens der meisten Jugendlichen - verlieren.